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Scanner News und Know-how

11. November 2021

Quelle: 

Zukunft der Dokumentenarchivierung – ist Papier verzichtbar?

Dieser Artikel erschien zuerst im DOK.magazin, Ausgabe 1-2013, am 01. März 2013.

Papier als Informationsträger und Speichermedium wurde lange Zeit eine rabenschwarze Zukunft prophezeit: Die zunehmende Digitalisierung ließ die Vision von einer papierlosen Gesellschaft möglich erscheinen. Doch auch 2013 landet Information weiterhin auf Papier, und das liegt nicht etwa daran, dass das digitale Dokument überschätzt worden wäre. Vielmehr wurden das haptische Dokument und seine spezifischen Eigenschaften massiv unterschätzt: Seine hohe Robustheit, das einfache Handling, vor allem aber seine juristische Belastbarkeit haben dem Papier als Datenträger das Überleben gesichert. So hat das digitale Dokument das haptische nicht verdrängt, sondern stellt als dessen digitale Repräsentation eine inzwischen unverzichtbare Erweiterung des haptischen Dokuments dar.

Hochleistungsscanner kommen zum Einsatz, wo große Mengen an Dokumenten – beispielsweise Post, Zahlungsverkehrsbelege oder Wahl- und Abstimmungszettel – als Image digital archiviert, nach definierten Kriterien ausgewertet und dementsprechend sortiert werden sollen. Verbreitete Anwendungen sind elektronische Archivierungen jeder Art, Posteingangsbearbeitung sowie Lohndaten- und Protokollerfassung, aber auch Wettscheinerfassung, Multiple Choice-Tests, Meinungserhebungen, Abstimmungen und Wahlen. Anwender von Hochleistungsscannern kommen dementsprechend aus Industrie, Wirtschaft, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie aus städtischen und staatlichen Verwaltungen.

Wo beim Scan die Hochleistung beginnt, ist nicht klar definiert, weshalb der Begriff Hochleistungsscanner mitunter inflationär benutzt wird. Sinnvolle Indikatoren für einen Hochleistungsscanner sind neben einem hohen Durchsatz (ab 250 Dokumente/min) die automatische Dokumentzuführung vom Stapel, der Scan von Dokumentvorder- und -rückseite in einem Durchlauf und die Dokumentausgabe in Sortierfächer. Hochleistungsscanner werden sowohl in standardisierten Großserien produziert als auch anwendungsspezifisch entwickelt. Die Anzahl der nationalen und internationalen Hersteller ist dabei überschaubar: Neben den großen Playern der Dokumentenerfassung mischen – vor allem auf dem Markt für anwendungsspezifische Sonderanfertigungen – auch kleinere, spezialisierte Unternehmen mit.

US Wahlscanner als Beispiel

Ein aktuelles Beispiel für eine Sonderanfertigung ist der als US Wahlscanner bekanntgewordene Hochleistungsscanner DS850, den der amerikanische Wahldienstleister ES&S eigens für die
Präsidentschaftswahl 2012 entwickeln, konstruieren und in Serie fertigen ließ. Der US-Wahlscanner ist nicht nur beispielhaft für die Entwicklung, Konstruktion und Fertigung eines Hochleistungsscanners nach kundenspezifischen Anforderungen. Er ist auch Beleg für das wiedererstarkte Vertrauen in das Medium Papier: Die Kritik an Wahlcomputern bei der umstrittenen US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 hatte in vielen Bundesstaaten zu einer Rückbesinnung auf den klassischen Wahlzettel in Papierform geführt.

Um diese Wahlzettel zuverlässig auszählen und gleichzeitig digital archivieren zu können, benötigte der verantwortliche Wahldienstleister Hochleistungsscanner mit einem speziellen Anforderungsprofil: Die Scanner sollten pro Minute 300 beidseitig markierte Wahlzettel verarbeiten, on the flow auswerten und entsprechend in drei Fächer aussteuern können. Pro 10.000 Wahlzettel durfte dabei maximal ein Fehler auftreten. Abzug, Transport und Ablage musste auch für gefaltete und somit schwer zu beherrschende Wahlzettel gewährleistet sein. Der Aufbau des Hochleistungsscanners sollte einen definierten Workflow unterstützen, der Dokumentzuführung, Prozess-Monitoring und Dokumententnahme je einem von drei Bedienern auf drei definierten Positionen zuordnet. Weitere Anforderungen waren ein eingebauter PC mit Touchscreen und die Verifizierung der Wahlscheine durch den Scanner anhand von Infrarotmarkierungen. Der Scanner und sämtliche externe Steckverbinder und Schnittstellen mussten versiegelbar sein. Für die Zertifizierung galt es, die strengen Vorgaben des 2005 VVSG (2005 Voluntary Voting System Guidelines for Usability, Accessibility and Security Requirements) zu erfüllen. Außerdem sollte der Hochleistungsscanner so handlich konstruiert sein, dass er einen mobilen Einsatz erlaubt.

Letztere Anforderung stellte sich dabei als die kritischste heraus: Zwar hielt der weltweite Markt leistungsstarke Scanner bereit. Der geforderte Durchsatz von 300 Dokumenten pro Minute ging jedoch stets einher mit Geräteausmaßen, die einen mobilen Einsatz ausschlossen oder erschwerten. ES&S musste also eine Sonderanfertigung in Auftrag geben. Augenfälligstes Merkmal und zugleich Lösung ist der Dokumenttransportweg des DS850. Dieser wird in einer S-Line realisiert. Über die doppelte Krümmung in der Dokumentzuführung wird eine Streckenlänge erreicht, die dem Processing (Bilderstellung, Bildkomprimierung, Bildübertragung, Auswertung, Rückgabe des Sortierbefehls) die nötigen 40ms pro Wahlzettel verschafft. Nach dem Scannen wird das komprimierte Bild an den integrierten PC übertragen. Dessen Zähl- und Auswertungs-Software stammt vom Wahldienstleister selbst, erfasst und qualiliziert Markierungen sowie richtig und falsch ausgefüllte Wahlscheine und gibt die entsprechenden Aussteuerbefehle. Etwaige doppelte Dokumentabzüge werden durch einen Ultraschallsensor erkannt, ein mittels Lichtschranken realisiertes Dokumentverfolgungssystem erkennt Staus, Zuführstörungen und volle Ablagefächer.

Vereinfachtes Ablaufdiagramm des Wahlscanners: Scannen, Archivieren, Auswerten und Sortieren von Wahlzetteln bei der US Präsidentschaftswahl 2012

Vor-Ort-Archivierung

Durch die neue, mobile Bauweise und die damit verbundene Möglichkeit, auch vor Ort problemlos höchste Durchlaufzahlen zu realisieren, ergeben sich zahlreiche neue Anwendungsgebiete für kompakt konstruierte Hochleistungsscanner. Eines der größten dürfte die Vor-Ort-Archivierung vertraulicher Daten werden, beispielsweise im Gesundheitswesen, Versicherungswesen oder in der Kriminalistik (Fingerabdruck-Archive). Hier konnten große haptische Archive bislang nur außer Haus digitalisiert werden, wobei neben einem hohen Zeit- und Personalaufwand vor allem die Datenschutz-beaufschlagte Logistik zu Buche schlug. Kommt der Scanner jedoch ins Archiv, reduziert sich der Aufwand erheblich.

Nicht unwahrscheinlich ist es zudem, dass sich mittelfristig auch in Deutschland Wahldienstleister etablieren, die im Auftrag von Staat, Ländern und Kommunen Wahlen durchführen und auszählen. Gängige Praxis ist dies bereits in der Wirtschaft, wo spezialisierte Dienstleister beispielsweise Jahreshauptversammlungen betreuen und mittels Hochleistungsscannern in wenigen Minuten Abstimmungsergebnisse herbeiführen. Bislang werden hoheitliche Wahlen in Deutschland händisch im Vier-Augen-Prinzip ausgezählt. Dass der damit verbundene Zeit-, Personal- und Kostenaufwand sowie die erhöhte Fehleranfälligkeit durch Ermüdung oder externe Störquellen dabei noch in Kauf genommen werden, gründet in einer großen Skepsis gegen Wahlcomputer. Diese werden fälschlicherweise oft mit Wahlscannern gleichgesetzt, obwohl Wahlscanner haptische und somit auch nach Auswertung überprüfbare Wahlzettel nur auszählen, während am Wahlcomputer die Wahl an sich getätigt wird. Dass diese Unterscheidung aber zunehmend getroffen wird und ein Umdenkprozess stattfindet, zeigt das seit der reibungslos verlaufenen US Wahl zusätzlich gestiegene Interesse von Bundes- und Landesbehörden an Hochleistungs-und Wahlscannern. 

Peter Schrittenlocher, geschäftsführender Gesellschafter DATAWIN

Autor: Peter Schrittenlocher, geschäftsführender Gesellschafter DATAWIN. Das Unternehmen mit Sitz in Ergolding bei Landshut entwickelt, konstruiert und fertigt Hochleistungsscanner, Markierungsbelegleser und mobile Datenerfassungsgeräte – in Serienproduktion und nach kundenspezifischen Anforderungen. Produkte der DATAWIN und ihrer Schweizer Tochter Axiome Alpha SA finden weltweit Einsatz.

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